Seit sechs Jahren ist Stephan Rauscher (38) der Ortspfarrer von Nandlstadt. Er betreut aber nicht nur eine Pfarrei in der Marktgemeinde, die als älteste Hopfenanbaugemeinde der Welt gilt. Rauscher ist für sechs Pfarreien, 18 Kirchen und gut 7000 katholische Christen zuständig. Um neben den Messen sein großes, tägliches Pensum an Tauf-, Trauungs- und Beerdigungsgesprächen in den verschiedenen Orten zu schaffen, da hilft ihm sein feuerroter Motorroller, den er über alles liebt. Er ist auch auf Facebook aktiv, erreicht so die Jugend, was vielen Kollegen nicht mehr gelingt und einigen daher zunächst nicht so gefiel. Zum Ausgleich spielt Rauscher mit viel Leidenschaft Theater, er singt gerne und sehr gut – und er backt seine Hostien selber. Mittlerweile sind die so bekannt und beliebt unter den Kollegen, dass er neben den eigenen fast 20.000 im Jahr zusätzlich einige Tausend für andere Pfarrer backt. „Backen ist mein Hobby – und so backe ich etwas Sinnvolles aus Liebe zur Liturgie!“, sagt Rauscher stolz.
Das Backen der Hostien, „Leib Christi“ oder „das Allerheiligste“ genannt, unterlag lange sehr strengen Vorschriften. Zeitweise durften sie nur von Klerikern gebacken werden, die liturgische Gewänder trugen. Das Backen hatte sogar unter Stillschweigen oder begleitet von Psalmengesang zu erfolgen. Die Sorge für die Einhaltung der kirchlichen Vorschriften führte in der Neuzeit dazu, dass Hostien in der Regel nur noch in Frauenklöstern bereitet wurden. „Doch es gibt immer weniger Nonnen, die das tun und ich hatte schon lange mit einem guten Freund, einem Ordensbruder aus München die Idee, dass wir so etwas in unserer Freizeit machen könnten“, berichtet Rauscher. Es dauerte einige Jahre, bis die beiden das richtige Equipment zusammen hatten: Eine große Rührmaschine für den Teig, ganz spezielleWaffel-Backeisen, unterschiedliche Motive und Model, große Hostienbefeuchtungs-Schränke, Stanzapparate in den verschiedenen Größen. Vor ein paar Jahren war es dann soweit, dass sie loslegen konnten. Zunächst war es noch viel learning by doing: die exakte Mehl-Wasser-Mischung, die perfekte Backtemperatur und –zeit, mit welchem Fett, Öl oder anderen Trennmitteln müssen die Waffeleisen behandelt werden, dass die Hostien nicht ankleben, wie lange müssen sie im Befeuchtungsschrank liegen, dass sie wieder weich werden zum Schneiden. „Mittlerweile haben wir das im Griff, dass es so richtig flutscht“, grinst der Pfarrer. Der Teig besteht nur aus Mehl und Wasser – kein Salz oder sonst etwas. Das kommt aus der Tradition der Kirche, dass eine Hostie eben kein gesäuertes oder krümeliges Brot ist. Von öffentlichen Anbietern gibt es nur fünf Motive für die Hostien, das war Rauscher viel zu wenig. „Es gibt doch so viele schöne Motive zu jedem kirchlichen Anlass!“ Also hat er sich mittlerweile 48 Edelstahl-Model in Handarbeit für das ganze Kirchenjahr anfertigen lassen: Jesus in der Krippe, Maria und Josef, Jesus als guter Hirte und Auferstandener bis hin zum Osterlamm, dazu diverse Christussymbole wie den Fisch, den Anker und die Darstellung der Brotvermehrung aus zwei Fischen und fünf Broten. Ebenso dabei auch ein älteres, heute wenig bekanntes Symbol: der Pelikan. Ein Tier, das sich der Legende nach selbst opfert, damit seine Jungen überleben können – wie eben Christus.
Die Hostieneisen aus Edelstahl sind nur auf einer Seite mit Motiven versehen. Verschiedenste Größen werden in einem Backvorgang hergestellt, von 66 Millimeter Durchmesser bis hin zu Riesen-Oblaten mit 140 Millimeter, die sind dann zum publikumswirksamen Brechen des Brotes durch den Pfarrer vor den Gläubigen gedacht. Eingepinselt, oder besser behandelt, werden die Eisen alle paar Durchgänge mit Bienenwachs. „Öl würde Blasen erzeugen, das geht gar nicht, aber das Bienenwachs ist perfekt“, erfährt man vom Hostien-Profi Rauscher. Sieben große Waffelmaschinen hat er nebeneinander im Keller des Nandlstädter Pfarrhauses stehen, gleichzeitig backen kann er aber nur auf fünf.
„Die fressen so viel Strom, da bricht sonst alles zusammen, wenn wir mit sieben backen“, schmunzelt der sympathische Pfarrer. Jedes Eisen sollte möglichst exakt 137 Grad heiß sein, „das hat sich als die ideale Temperatur ergeben. Und wenn die Waffel zum zweiten Mal im Eisen knackt, dann ist sie fertig, da brauchen wir gar keine Uhr stellen!“
Nach dem Abkühlen schmecken die Hostien gar nicht so schlecht, „den Bruch oder die Reste beschmiere ich manchmal mit Nutella, das ist richtig gut“, verrät Rauscher. Doch nun sind die Oblaten natürlich auch total knusprig und bröselig, würden beim Ausstechen völlig zerbrechen. Also kommen sie für einige Stunden in den „Hostienbefeuchter“, hier wird die große, runde Platte wieder weich und geschmeidig, erst dann kann sie ausgestanzt werden. In große Plastikboxen abgepackt kommen die Hostien in die Sakristei, um dann in der Heiligen Messe geweiht zu werden. Sie kommen bei Rauschers Gläubigen, aber auch in immer mehr anderen Pfarreien zum Einsatz. „Den Menschen, die den Leib Christi vom Pfarrer empfangen, fällt es eigentlich nie auf, was da für ein Motiv auf der Hostie ist. Aber meine Pfarrerkollegen, die freuen sich alle über die vielen verschiedenen Motive, die wir hier das ganze Kirchenjahr hindurch backen. Und mir macht es große Freude, immer wieder mal ein neues Bild anfertigen zu lassen“, sagt Stephan Rauscher. Jetzt in der Vorweihnachtszeit ist die Nachfrage natürlich besonders groß.