„Chaukenschmied“ Arne Focke hat im Bauernhausmuseum ein neues Zuhause
Hoch stieben die Funken, wenn Schmied Arne Focke auf sein glühendes Stück Stahl mit dem Hammer eindrischt. Zuvor hatte er den Stab in der vom elektrischen Blasebalg betriebenen Esse, gefüllt mit Steinkohle, rotglühend gemacht, dann ein Stück mit einer Guillotine abgequetscht. Nun bearbeitet er das Teil mit einem seiner vielen Hämmer, ehe er mit einer Zange eine lange, dünne Zipfelmütze zieht. Abgekühlt wird diese knallrot angemalt, fertig ist der geschmiedete Weihnachtswichtel. Dazu passt der ebenso in der Glut entstandene Adventskranz. Oder doch lieber eine Handy-Halterung aus Schmiedestahl?
Wie haben die das früher gemacht?
Arne Focke (45) ist eigentlich studierter Archäologe und stammt aus dem hohen Norden, genauer aus dem friesischen Sande in Niedersachsen. In der Region lebten in den ersten Jahrhunderten nach Christus auch die Stämme der „Chauken“, auf die sich Focke in seiner heutigen Tätigkeit gerne beruft. „Ich bin von der Ausbildung her experimenteller Archäologe, versuche also, wenn wir ein jahrhunderteraltes Teil ausgegraben haben, herauszufinden, wie das hergestellt wurde. Zum einen mit dem Mikroskop, aber auch ganz praktisch“, berichtet Focke. So kam er schon während des Studiums in Kiel und Hamburg zum Schmieden, weil er ausprobieren wollte, wie bestimmte Nägel, Zapfen, Werkzeuge oder Essbestecke gefertigt wurden. „Wie haben die mit dem Hammer da drauf gekloppt? Wie haben sie die Zangen angesetzt oder was für Material haben die überhaupt verwendet? Das bekommt man oft nur raus, wenn man es in kleinen Schritten selbst ausprobiert“, sagt Focke.
Geschmiedet wird nur mit historischem Bezug
Der Liebe wegen zog er 2010 nach Bayern, weil seine Frau eine Stelle in einem Münchner Museum erhielt. „Diese Stellen sind so rar, das ist wie ein Sechser im Lotto!“ Fockes Spezialgebiet ist die Römerzeit, über deren Schwerter und Werkzeuge hat er auch schon zahlreiche Artikel geschrieben, viele davon hat er selbst versucht nachzubauen. Das Schmieden war viele Jahre ein reines Hobby, er hat sich im Laufe der Zeit aber sehr viele Feinheiten und Spezialitäten angelesen, angeeignet, abgeguckt und ausprobiert. „Ich schmiede keine Gartentüren, Zäune oder Landmaschinen, bei mir muss es schon immer einen historischen Bezug haben“, schränkt Focke ein.
Am Bajuwarenhof war die Schmiede nur provisorisch
Als er nach Kirchheim bei München kam suchte er nach einer Möglichkeit, weiter am Wochenende zu schmieden. „Da stieß ich zufällig auf einen Bericht über die vhs Ost, die machten viele Kurse zu altem Handwerk, das fand fast alles auf dem Bajuwarenhof in Kirchheim statt. Da ging ich hin und wir wurden uns schnell einig, dass ich als mittelalterlicher Schmied auf deren Gelände mitarbeiten konnte.“ Unter der Woche verdiente Focke sein Geld im Einzelhandel, am Wochenende schmiedete er. Doch am Bajuwarenhof gab es einen Führungswechsel, das Konzept wurde geändert. „Ich wollte mir dort eine richtige Schmiede einrichten, nicht so provisorisch wie bislang, doch das wollten die nicht. Also musste ich mir etwas Neues suchen.“
Der fleißige Schmied
Focke fand rasch das Bauernhofmuseum in Erding, das dem Landkreis gehört, der die im Laufe der Jahrzehnte verlagerten Baudenkmäler, wie Kapelle, Gartenhaus, Kegelbahn, Schuppen, Torfhütte, Backofen sowie landwirtschaftliche Arbeitsgeräte seit einiger Zeit mit viel Geld zu neuem Leben erweckt. Die alte Schmiede stammt aus dem Jahr 1833 und war bis 1969 in Dorfen im Landkreis Erding in Betrieb. Dann musste Schmied Anton Rotteneicher dem Wandel Tribut zollen: industriell gefertigte Eisenwaren verdrängten die Schmiedekunst. Das Haus mit samt seinem Inventar wurde ins Erdinger Bauernhausmuseum verpflanzt, dort nur ein, zwei Mal im Jahr die Esse angeheizt und für die Besucher geschmiedet. „Als die Verantwortlichen dort hörten, dass ich auf der Suche nach eine Schmiede war, nahmen sie mich mit offenen Armen auf. Hier schmiede ich jetzt jeden Freitag und Sonntag“, sagt Focke. Corona machte auch ihm einen Strich durch die Rechnung, monatelang war das Museum für die Besucher zu. Focke war trotzdem fleißig: Kerzenständer, Adventskränze, unterschiedlichste Messer, Wandhaken, Glocken zum Klingeln oder zum Kerzen löschen, Regale für Smartphones, verbogene Hufeisen als Huthaken, geschmiedete Sandalen als Deko, Kreuze, Fleischerhaken, unterschiedlich geformte Nägel als Bildaufhänger und vieles mehr – alles bei über 1000 Grad aus dem nackten Stahl geformt. Verkauft wird zu den Öffnungszeiten des Bauernmarktes (Freitag 13 bis 17 Uhr).
Nur der alte Balg fehlt noch
„Der Kamin, der ist sensationell. Geformt wie ein Schwanenhals zieht er immer perfekt – den hat ein wahrer Künstler gemauert. Leider ist der mechanische Blasebalg, den man mit der hölzernen Fußleiste in Betrieb setzte, defekt, so dass wir einen elektrischen einsetzen. Aber ich habe schon mit den Organisatoren des Bauernmarktes gesprochen, vielleicht kann man ja den alten Balg wieder in Betrieb setzen“, sagt Chaukenschmied Arno Focke und wendet sich wieder einem neuen glühenden Weihnachtswichtel zu.